In unserem Land leben an die 80 Millionen Menschen. Davon sind ca. 400 bis jetzt nach Syrien und in den Nahen Osten ausgereist, um dort die Verbrecher vom IS zu unterstützen. Ja, ich nenne sie ungeschützt Verbrecher, denn nirgendwo empfiehlt der Islam, das man Frauen und Kinder umbringen solle, nirgendwo empfiehlt er die Abschlachtung von Juden und Christen. Von diesen 80 Millionen Menschen haben sich neulich an die 10.000 in Dresden zu der Meinung bekannt, dass man Deutschland, wie weiland China und Japan, vom restlichen Weltgeschehen abkoppeln und künftig ganz für sich selber leben müsse. Nun, 10.000 Isolationisten werden wir noch vertragen können, denke ich. Schlimmstenfalls weisen wir ihnen einen Wohnort zu, wo sie ihren Isolationismus praktisch leben können. Ansätze hierzu gibt es in manchen mecklenburgischen und brandenburgischen Dörfern ja schon. Nur ist der Isolationismus dort solange nicht perfekt, wie es dort noch Lidl und Aldi und Netto und Kaufland und all die anderen Handelsketten gibt und solange sie noch immer an das nationale Stromnetz angeschlossen sind und auch keine eigenen Erdölförderung betreiben. Aber das haben die Isolationisten wohl alles selbst noch nicht so genau bedacht.
Also halten wir fest: 400 Ausreisewillige, darunter, wie ich hörte, auch Frauen, was suchen die denn in einem islamistischen Kontext, können wir theoretisch verschmerzen. Sollen sie nach Syrien gehen und dort Christen und Juden und Kaffir (worunter jeder Muslim zu verstehen ist, der nicht mit abschlachtet) guten Gewissens mit abschlachten, was geht es uns an? Geraten die Grundfesten unserer Zivilisation so rasch ins Wanken, dass schon 400 Verweigerer uns nervös machen können? Es scheint wahrhaftig so zu sein. Und das stimmt mich bedenklich.
Allerdings stimmt es mich dann doch auch wieder hoffnungsfroh, dass nur ganze 400 oder vielleicht irgendwann 800 junge Leute ihr Leben in der westlichen Zivilisation als so verpfuscht ansehen, dass sie Reißaus nehmen. Auf 80 Millionen gerechnet ist das sehr, sehr wenig und also eigentlich ein Kompliment für unsere Zivilisation und für die Erziehung, die sie in Sachen Menschenwürde und Kultur in den letzten Jahrzehnten schon geleistet hat, denn es ist wirklich beachtlich, wenn nach nicht einmal einem ganzen Jahrhundert Erziehung die zivilisatorischen Grundtugenden bereits so tief verwurzelt sind. Mein Rat daher: lasst sie ziehen und schenkt ihnen zum Abschied noch einen guten Korankommentar, damit das Wort ihres Gottes sie niemals verlassen möge. Wenn ihr ganz gut seid, streicht ihnen noch alle Stellen an, die ihrem Vorsatz widersprechen. Ihr werdet, meine lieben Landsleute, gewiss viele finden.
Etwas Anderes beschäftigt mich aber mehr als diese 400 leicht oder schwer gestörten Köpfchen, deren Anzahl von jedem psychiatrischen Krankenhaus leicht zu überbieten sein wird. Und zwar ist meine Frage: wie werden Menschen so? Sie sind ja nicht geistig behindert, sie sind auch nicht beratungsresistent, denn sonst hätten sie den Muftis ja genau so widerstanden wie denen, die sie in Richtung auf einen zivilisierten Lebensweg bringen wollten. Wie wird man als junger Mann in Deutschland Bürger des islamischen Staates, also, fachlich gesprochen, ein extremer Wahhabit? Wie kommt man mitten im zivilisierten Deutschland auf die Idee, dass jeder, der nicht auch Wahhabit ist, den Tod als Kaffir, als Ungläubiger, zu gewärtigen hat? Die Wahhabiten selbst sind ja nicht mehr dieser Meinung… aber der IS ist die fünfte Kolonne des Wahabitismus, das ist wohl unbestritten. Und sie haben sich schon ein schönes Stück Land zusammengeschlachtet. Aber zurück zu meiner Frage: wie wird man mitten im liberalen, zivilisierten Deutschland ein solcher Ultra – Wahhabit?
Ich denke, es liegt genau daran: DASS eben das Leben in Deutschland so kultiviert, so zivilisiert, so gewaltfeindlich ist. Wir, die Mehrheit, sind zu gut, wir sind zu vernünftig, und wenn wir es nicht sind, dann sind wir immer noch wenigstens so spießig, dass wir den anderen nach seiner Façon selig werden lassen und sei es nur, weil wir es müde sind uns deswegen mit ihm zu zanken.
Aber es ist schon bedeutend, dass nicht Männer im mittleren Alter nach dem Nahen Osten gehen, sondern Jugendliche und sehr junge Männer. Was hat man dort, was sie hier nicht haben? Nun, ganz einfach, man darf dort mit dem besten Gewissen die schlimmste Gewalt ausüben. Aber wie kommt es, dass junge Männer derart erziehungsresistent sind? Sie sind es gar nicht. Sie sind in Wahrheit fromm wie die Lämmer, aber von früh bis spät wird ihnen eingehämmert, dass man ohne seine Fäuste nichts wert ist – Clockwork Orange lässt grüßen – dazu kommen verquaste Ideale von Freiheit als der Freiheit straflos Straftaten begehen zu dürfen, ein Ideal, das ich selbst unter uns hier angetroffen habe und bei jemand, bei dem ich es ganz sicher nicht vermutet hätte. Und dazu kommt ein Bedürfnis nach Orientierung, das diese Gesellschaft zwar gibt, aber nicht automatisch. Hier ist der Unterricht nicht dazu bestimmt, gehorsame Untertanen zu schaffen, hier wird nicht gesagt, was als richtig, was als falsch zu gelten hat, man muss sich alles selbst aneignen, sich die eigenen persönlichen Werte schaffen und – dazu sind manche, zum Glück sind es nur wenige, nicht in der Lage. Freuen wir uns aber – vor siebzig achtzig Jahren wären es noch bedeutend mehr gewesen. Freuen wir uns indes nicht zu sehr, denn die Schwächen unserer Demokratie werden an diesem Beispiel sehr sichtbar: sie verlangt einen anderen Menschen als den Untertan, sie verlangt auch nicht den Gottesfürchtigen, sie verlangt den selbstbestimmten Menschen und, man vergebe mir, aber das sind eben noch nicht alle, auch wenn es schon bedeutend mehr geworden sind.
Noch einmal: lasst sie ziehen. Es ist eine Minderheit und es wird eine Minderheit bleiben und all euer Beharren und Bereden scheucht sie nur schneller fort. Denn diese jungen Leute wollen nur einmal eingefangen werden und das wurden sie bereits. Diese jungen Leute haben das gefunden, dem sie ihr Leben weihen wollen, geht ihnen nicht dazwischen, manchmal muss es geschehen. Ja, ihr meint, das ist nicht gut und ich bin ganz eurer Meinung, es ist auch nicht gut. Aber lasst sie ziehen, dennoch, und sollten sie etwas verbeult heimkehren, nehmt sie auf als wäre nichts gewesen. Was gewesen ist, werdet ihr dann schon sehen. Manche fürchten, diese jungen Leute könnten die Saat der Gewalt dann auch in Deutschland säen. Theoretisch möglich – aber nicht mit diesen Deutschen, die sich zwar für alles interessieren, aber nur ganz selten Lust haben, es auch auszuprobieren und wenn, dann sind sie meist nach ein, zwei Tagen matt und ausgepumpt. Mit den Deutschen Revolution machen ging nicht und mit ihnen Islamismus machen geht auch nicht. Es sind keine Deutschen, die gehen?
Das ist richtig. Es sind in der Mehrheit Jugendliche aus muslimischen Häusern, denen der Islam zuhause nicht genügt, denn er enthält ihnen immer noch zu wenig folkloristische Elemente. In ihnen wohnt eine tiefe Sehnsucht nach Orient, Harem und Kamelen, der dröge Islam allein genügt ihnen nicht, sie brauchen noch eine gehörige Portion Serail und Geheimnis dazu, die der Islam aber nicht liefern kann, weil er nicht mehr im siebenten oder dreizehnten, sondern im einundzwanzigsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung stattfindet. Zumindest müsste es der Islam sein, den Karl May in seinen Reiseromanen schildert – nur war der Kerl niemals im Orient. Farbig muss dieser Islam sein, bunt und auch bizarr – und genau dieser Islam ist es, den ihnen die Muftis in satten Farben ausmalen: der Islam eines Karl May, die Märchenwelt eines Wilhelm Hauff und eine Hollywood – Version von Sindbad dem Seefahrer. Der Islam aber, den sie kennen, enthält keine Geheimnisse. Die dünsten nur jene turbantragenden Bärtigen aus, die da in fremdländischer Gewandung zu ihnen kommen und ihnen mit gaumigem Akzent Wunderdinge von einer geheimnisvollen orientalischen Welt erzählen. „Kommt und helft uns gegen die verderbte westliche Welt zu kämpfen.“ Und sie kommen. Denn die westliche Welt, die sie kennen, ist verderbt, viele kennen sie nur aus den vergitterten Fenstern der Haftanstalten heraus, wo sich bekanntlich nicht gerade die Creme der Gesellschaft ein Stelldichein gibt.
Ich nehme den jungen Leuten ihre Suche nach einer idealen Welt nicht übel, ich nehme ihnen auch den Traum vom geheimnisvollen Orient nicht übel, aber ich nehme ihnen die Vertrauensseligkeit übel, mit der sie denen glauben, die sie als Rekruten werben. Denn was erwartet diese jungen Leute im Orient? Sie werden dort die Parias sein, die Fremden, die alle niederen Dienste tun müssen und sich ansonsten in die Ecke scheren sollen, denn was wollen diese Kaffir? Sie sollen froh sein, wenn man sie am Leben lässt – täglich fünfmal werden sie ihren Glauben bekennen müssen und wehe, sie lassen sich dabei den kleinsten Fehler zuschulden kommen. Man wird sie ins dickste Gefecht schicken und Allah die Sorge um ihr Leben überlassen, denn in dessen Willen ist alles vorbestimmt. Sie werden zusehen müssen, wie Frauen und Kinder abgeschlachtet werden und sie werden Glück gehabt haben, wenn sie nur zusehen müssen. Die bisher zurückkehrten, predigen nicht weiter. Sie sitzen still und schauen, was sie niemandem sagen können.
16.12.2014