25.05.2014

Über die Wege und Irrwege des Glaubens

Ohne Glauben, sagen die Gläubigen, gehe die Welt zugrunde und sie meinen damit natürlich ihre Welt. Aber dennoch ist nicht ganz falsch, was sie sagen, auch wenn sie das nicht meinen: ohne Glauben, also ohne Vertrauen darauf, dass Dieses oder Jenes wahr, respektive unwahr sei, dass Dieses oder Jenes möglich oder unmöglich wäre, käme insbesondere der Mensch, der wie kein anderes Lebewesen auf Erden auf Glauben angewiesen ist, nicht vom Fleck.
Im Deutschen hat das eine Wort Glauben sehr nuancenreiche Bedeutungen. Es meint einmal das Vertrauen in eine bestimmte Aussage, dass sie wahr, respektive unwahr sei. Es meint aber auch die bloße Vermutung eines Tatbestandes oder eines Sachverhaltes, die jederzeit zurückgenommen oder auch bestätigt werden kann.
Was immer aber ein Mensch auch glaubt, sein Glaube strebt im Grunde nach Aufhebung des Glaubens durch Wissen. Der Mensch glaubt der Wahrheit einer Aussage, bis sich herausstellt, dass sie unwahr ist, dann glaubt er ihrer Unwahrheit bis sich herausstellt, dass sie sich nicht in allem Punkten geirrt hat, als sie sich im Fazit irrte. So relativiert er seine Fähigkeit zu glauben und lernt sie eben dadurch auch in ihren Facetten kennen. Der Mensch vertraut der Information durch einen Anderen bis sich herausstellt, dass diese Information richtig war oder dass sie, absichtsvoll oder nicht, auf falschen Annahmen beruhte – die ihrerseits geglaubt wurden. So kann Glauben eine Kette falscher Reaktionen auslösen, wenn einer dem anderen glaubt, was er erzählt, und das, was er erzählt, entspricht nicht oder nicht in Gänze der Wahrheit. Aber Glauben kann Lügen und Irrtümer auch zerstören, indem nämlich dem geglaubt wird, der die Wahrheit spricht und dies, die Wahrheit, lässt sich überprüfen, muss nicht geglaubt werden. Wie wir sehen, ist Glauben immer etwas Vorläufiges, auf die Konfrontation mit Wissen Angewiesenes. Er kann zudem immer und ständig in einer Katastrophe enden – wenn sich erweist, dass das fest Geglaubte ein vielleicht sogar absichtsvoll konstruiertes Lügengebäude ist.
Im täglichen Leben lässt sich die Probe aufs Exempel teilweise mit einiger Mühe, aber eigentlich immer durchführen. Wer die Wahrheit erfahren will, der erfährt sie auch und sei es aus den Bestandteilen der Lüge selbst, sobald er einmal weiß: hier wurde gelogen. Auch Irrtümer lassen sich, wiewohl geglaubt, nicht endlos aufrechterhalten, an irgendeinem Punkt steht die Sache selbst der Fortsetzung des Irrtums entgegen wie zum Beispiel die Paläontologie dem Glauben, die Welt sei in sechs Tagen so erschaffen worden wie sie noch heute beschaffen ist. Das erste Fossil war das Todesurteil für diesen Glauben und die Liste ließe sich fortsetzen, in der Erkenntnis zum Tod des Glaubens geführt hat. Die Religionen namentlich des Nahen Ostens sind ein gutes Beispiel dafür, wie Erklärungsversuche des Glaubens durch Erkenntnisse der Wissenschaft ins Reich der Fabel verwiesen wurden und auch immer noch werden, man denke an die im katholischen Christentum immer noch dogmatisch zu glauben vorgeschriebene Jungfraugeburt und die ebenfalls dogmatisch vorgeschriebene Auferstehung Jesu von den Toten. Die Wahrheit ist, es ersteht niemand von den Toten auf, wer von den Toten aufersteht, der war nicht tot und es gibt auch für Maria keine Ausnahme von der Tatsache, dass mit der Zeugung die Jungfräulichkeit endet. Indessen hat diese Sage ihre Parallele sogar ein halbes Jahrtausend früher in der Geburt des Buddha, der jungfräulich aus der Hüfte seiner Mutter hervorgegangen sein soll. Dennoch und obgleich beide Dinge und andere total unwahrscheinlich sind und bleiben, müssen sie von jedem, der sich guten Gewissens Christ nennt, geglaubt werden. Aber damit nicht genug: in allen Religionen gilt, dass sie ohne Glauben an eigentlich unwahrscheinliche Dinge nicht bestehen können. Und damit ist dem Glauben dann die Grenze gewiesen. Sofern es sich um Dinge handelt, die überprüft werden können, ist etwas zu glauben als Vermutung legitim. Wenn es aber darum geht, von vornherein Unwahrscheinliches dennoch für blanke Wahrheit anzunehmen und zu vertreten, ist die Grenze des Glaubens überschritten und wird zum reinen Phantasiegebilde. Wer glauben muss, dass eine bestimmte Lehre über aller Wahrscheinlichkeit steht, wird nicht ernst genommen werden können, denn ihm fehlt der Erweis des Wissens um die Dinge, von denen er überzeugt ist.
Nun, wird ein heller Verstand sagen, da habt ihr euch aber selbst ins Knie geschossen, liebe Gnostiker, denn eure Behauptung einer geistigen Realität kann man ja auch nicht nachprüfen. Könnte man es nicht, wir würden nicht darauf beharren. Aber wir können es, wir können in Ursache und Wirkung uns selbst und anderen beweisen, dass unsere Annahmen der Wahrheit entsprechen. Jeder hat es und nicht nur einmal erprobt, dass unsere Annahmen keine Luftnummern oder dogmatische Festlegungen sind, der selbst in der Lage war, die Grenzen von Raum und Zeit zu überwinden und zu erfahren, dass es wirklich und wahrhaftig nichts Verborgenes gibt, das sich nicht aufdecken lässt und zwar gilt das vom Menschenherzen ebenso wie von den Gegebenheiten des Weltganzen, denn eines ist der Spiegel des Anderen und eines ohne das Andere ohne Belang. Das Weltganze existiert weil das Leben existiert, das Leben aber kann in eines jeden Menschen Herzen ergründet werden und so auch das Weltganze. Man muss nichts glauben.
Mehr noch – man, jeder kann, vorausgesetzt er legt Wert darauf, den Sachverhalt an seinen Wirkungen und Auswirkungen verifizieren und, fängt er es absichtlich verkehrt an, auf falsifizieren. Wir sind in einer langen Geschichte der Wissenschaft von der Erkenntnis nur ein Posten mehr, der diesen Sachverhalt erweist. Aber wir müssen keineswegs darauf verzichten, weil andere ihn bereits erwiesen hätten, sondern wir können ihn uns gern und wann immer, selbst erneut erweisen. Nötig ist dazu nur, dass wir unsere wahre Natur erkennen und erfahren, dass wir uns selbst ernst nehmen und uns selbst vertrauen über allen Glauben, über alle Vermutungen von Möglich und Unmöglich hinaus. Allerdings ist der Glaube an einen über uns waltenden Gott einer solchen Haltung wenig hilfreich, da eine solche Annahme uns in unserer eigenen Zuständigkeit beschränken könnte. Daher war es auch die „satanische“ Botschaft der Gnosis, den traditionellen Begriff der monotheistischen Göttlichkeit zu suspendieren und den Menschen nicht als den einer solchen unterworfenen Kreatur, sondern als ein einer solchen gegenüber mündiges Subjekt zu begreifen, das einen solchen Gott weder verehrt noch sich ihm in irgendeiner Weise unterordnen muss. Natürlich ist die Folge dessen, dass es einen solchen Gott in der Gnosis nicht gibt, stattdessen nimmt jeweils an seinem Ort jeder Mensch den Platz Gottes vollumfänglich ein und ist für sich selbst alles das, was er an „Gott“ zu akzeptieren bereit ist. Er wird feststellen, dass es signifikante Unterschiede zwischen dem gibt, was man gemeinhin annimmt und was er selbst annehmen kann. Dazu bedarf es keiner besonderen Mühe, sondern all das ist er aus seiner Existenz heraus, die ja weit mehr ist, als nur biologisch definiert. Aber an diese Existenz muss er nicht glauben – er erfährt sie in tausend Einzelheiten und man kann nicht sagen, dass ihm das immer auch angenehm sein muss – es kann ihn verwirren, herausfordern, auch er muss lernen, diese Existenz zu erschließen, aber sie gibt ihm auch ein Grundgefühl der Geborgenheit im Nichts, der Sicherheit im Ungewissen, die er in sich selber findet. Sie nimmt ihm die Angst vor dem Tod, denn das Ende des biologischen Kreislaufes beendet sein Leben nicht. Das weiß er, denn er ist gestorben, ehe er begriff was das Leben ist und sein bewusstes Ja zu diesem sprach. Aber .- er wird die rote Linie des Glaubens nie mehr überschreiten. Glauben wird für ihn immer nur die Vorstufe dessen sein, von dem er sich Gewissheit erhofft, oder das er aufgrund erwiesener Wahrhaftigkeit als glaubwürdig akzeptieren kann. Einen Glauben an…. allerdings wird er in sich nicht mehr vorfinden und er wird ihn auch, und das halte ich für sehr wichtig, nicht im Geringsten vermissen.

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