4.08.2012

Wie ich die Welt möchte

 

Wie ich die Welt möchte, ist sie nicht. Sie wird auch nie so werden, wie ich sie möchte. Dennoch möchte ich einmal ganz ungeschminkt und ungeschönt darüber sprechen, wie ich sie haben möchte.

Erstens: ich möchte sie sehr bunt haben. Aber diese Buntheit soll nicht von Werbeplakaten und Bildschirmen oder Kinoleinwänden kommen, sondern von Blumen, Gesichtern und Ideen. Und von Schmetterlingen, es gibt in diesem Jahr viel zu wenige in dieser Stadt.

Zweitens: ich möchte sie vielgestaltig. Das geleckte Einerlei der glasummantelten Kuben langweilt mich entsetzlich. Diese Einfamilienhäuser, die immer aus den gleichen Elementen bestehen, langweilen mich auch.

Drittens: ich möchte ihre Stimmen hören und nicht nur basswummerdne Rhythmusmaschinen statt Musik, nicht Motorengedröhn statt Vogelstimmen. Ich möchte dass es wieder Volkslieder gibt statt Volksmusik.

Viertens: ich möchte die Bettler nicht mehr übersehen, ich möchte, dass meine Augen sie suchen und keine mehr finden. Warum sind sie gegangen? Weil sie nicht mehr betteln müssen, sondern alleweil genug zum Leben haben. Ah – da ist noch einer… aber der bettelt nur, weil das was er zum Leben hat, zwar für Essen und Miete bequem, aber nicht mehr für die Gallonen Schnaps reicht, die er Tag für Tag in sich hinein schüttet. Von mir kriegt der nix. Soll er sich seinen Mist doch selber brennen. Aber wo sind die Jungs und Mädchen, die gestern noch auf dem Gehsteig flanierten und den Freiern an den Arm griffen oder noch ganz woanders hin? Ein paar sind noch da, aber die tuns wohl aus Freude am Spaß, denn Drogen gibt’s in der Apotheke, muss keiner mehr die Beine dafür breit machen und auch keiner mehr den Hintern hinhalten, das ist vorbei. Ich brauch keine Drogen, aber wer welche mag – bitte sehr.

Auf den Feldern steht das Getreide hoch und die Kartoffeln stehen dicht an dicht, desgleichen der Kohl und die Rüben. Rapsfelder hingegen sehe ich nur noch wenige. Im letzten Sommer war das Land gelb.. vorbei. Sie haben jetzt limitierte Reservate für den Biodiesel eingerichtet, die meisten Autos aber haben Strom und der kommt aus Kollektoren – vorbei die Zeit, in der jeder Krauter ein Windrad im Garten hatte. Der Horizont ist wieder sauber, die Zeit der Gier ist vorüber. Hier und auch anderswo.

Die Börsen hat man doch nicht geschlossen, aber sie sind nur noch für den Handel mit festen Objekten zuständig, Industrieanlagen zum Beispiel oder Supermarktketten oder auch Banken. Nahrungsmittel und Rohstoffe dürfen nicht mehr verspekuliert werden und auch kein Grund und Boden. Spekulation an und für sich ist nicht verboten, aber nur noch mit ganz unwichtigen Dingen, wie Brillanten.  Wer verliert, muss den ganzen Schaden begleichen und wer gewinnt, muss den halben Gewinn als Steuer abgeben. Aber die Rating – Agenturen, die sind sämtlich geschlossen, denn mit Staaten spekuliert man nicht und auch nicht mit Währungen. Und wer beim Hedgen erwischt wird, wandert stracks in den Knast und kommt so bald nicht mehr raus  – es sei denn, er gibt den Leuten, die er abgezockt hat, all ihr Geld sofort zurück, dann darf er in Freiheit bleiben, aber keiner wird so schnell mehr ein Stück Brot von ihm nehmen… und Waffenhandel ist weltweit verboten, sogar  die Amis haben es nun begriffen, nachdem ein Amokläufer das Weiße Haus gestürmt hat. Ja, der amtierende Präsident und noch ein paar andere Personen wurden erschossen, aber er hieß nicht Obama und er war auch kein Afro, er war ein halber Chinese. Ach, die Chinesen – die sind wieder brav und bestellen ihren Reis, aber es gibt keine Wanderarbeiter mehr und jetzt leidet niemand mehr Hunger da oben – nachdem die Schätze der Partei sich beim letzten Crash in nichts aufgelöst haben. Damals gingen auch ein paar Inder mit den Bach runter, aber nicht so viele wie Chinesen… seither sind sie zwar ein wenig kleinlaut geworden, aber sie sind tüchtig geblieben. Nach Menschenrechten fragen sie nicht mehr, denn sie haben gar keine Zeit mehr dazu. Sie arbeiten, lernen und den Rest ihrer Zeit verbringen sie mit Erholung und dem Zeugen von Kindern die wieder gern gesehen sind, seit so viele am Pseudo – Krupp aus den Schloten der alten Industrieanlagen und anderen Umweltsünden  zugrunde gingen. Die geklauten Patente haben sie übrigens zurückgeben müssen, seither ist ihre Industrie um Einiges eingebrochen, aber dafür ist „made in China“ jetzt auch kein Synonym für billigen Ramsch mehr.

Ja, AIDS gibt es noch in Afrika, aber da flächendeckend Medikamente gratis verteilt werden  stirbt niemand mehr dran, eher stirbt hier und da einer an Malaria oder auch an einem Schlaganfall, oder er kommt unter ein Auto, aber die Meisten sterben am Alter und die Europäer haben ihre Lust an Pandemien auch verloren, nachdem ihnen keine mehr gelang… die letzte Grippe  war ein Witz, und das trotz manipulierter Kolibakterien – na ja, ein paar Ratten haben nachts geleuchtet, aber das war‘s. Eigentlich sollten sie ja Angst und Schrecken verbreiten.. seitdem hört keiner mehr auf die fuchtelnden Reporter mit ihren Sensationsmeldungen. Wir haben die Medien nicht abgeschafft, wir haben sie abgehängt. Interessante Reportagen nehmen wir gerne zur Kenntnis, aber: Was interessieren uns Stars – was das angeht, interessieren uns unsere Kinder, Enkel, Freunde, Eltern, Tanten und so weiter, Kollegen auch, sicher. Klar gibt es eine Regierung… aber die merkt man für gewöhnlich nicht, weil alles glatt läuft und ohne Mauschelei. Skandale waren vorgestern. Vor einer Woche hat Hollywood seine Bestände versteigert… ratet mal, was Independence Day gebracht hat: ein Museum hat den Directors Cut für ganze drei Dollar erworben. Wir machen jetzt andere Filme, die Polen sind jetzt besonders gut im Geschäft, aber dann kommen auch gleich die Kenianer… und Bollywood ist zwar tot, aber dafür haben wir die Bengalen. Die machen Filme, ich sag euch, da legt ihr die Ohren an…  und, ach so, das Kommerzfernsehen ist auch tot, seit Werbung nur noch kostengünstige Produktinfo sein darf. Schließlich muss jeder, der eine neue Idee hat, auch auf sich aufmerksam machen dürfen und das darf nicht am kleinen Geldbeutel scheitern. Was für großartige Technologien auf diese Weise schon bekannt geworden sind, ich erinnere nur an unsere revolutionären Raumschiffantriebe. Inzwischen reist jeder wohin er will und eine Tour zum Mars dauert nicht länger als früher eine Flugreise von Europa nach Brasilien. Da oben sind sie jetzt heftig beim Terraformen und ich glaube, die kriegen den Mars wieder hin… auch das verdanken wir übrigens unserem Ideenmarkt, der da täglich über die Leuchtbänder flattert. Klar wird auch immer viel übersehen und klar, dass nicht jede Idee auch brauchbar ist, ist auch viel skurriles Zeug dabei – aber wenn jeder darf, ist das nicht zu vermeiden. Jedenfalls war Kreativität noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte so selbstverständlich.

Und überhaupt Kultur: das kann kein Mensch mehr übersehen, was es da alles gibt – und die Kinder lernen in der Schule ein Instrument ihrer Wahl –  das darf auch ruhig ein E – Gitarre sein, aber ohne Verstärker. Die gibt es nur mit Auftrittserlaubnis und die wiederum  nur bei nachgewiesener ästhetischer Qualität. Will sagen, es gibt jede Menge „populäre“ Musik, aber nichts mehr „auf die Ohren“. Bilder malt jeder – einfach so zum Spaß. Wenn etwas sehr schön ist, gibt es auch Preise – aber Geschäfte kann man damit nicht mehr machen, es gibt keinen Kunsthandel mehr. Wer ein Bild kaufen will, muss zu einem Maler gehen oder er malt es sich halt selber und hängt es an die Wand – Farben und Leinwände sind billig und die Museen kosten keinen Eintritt mehr, die sind Posten im Staatsbudget wie auch die  Ärzte und die Krankenhäuser, der Personentransport und die Schulen und die Unis und die Bibliotheken und und und… damit der Staat das alles unterhalten kann, dürfen ein paar Firmen weiter Unterhaltungsramsch, Kommunikationsmüll  und flotte Autos produzieren… und fette Steuern zahlen. Ach so – es arbeiten eigentlich alle – irgendwas. Wer nicht will, muss aber nicht. Erst, als das BGE noch neu war,  haben sie alle den Arsch in die Sonne gehalten, aber dann wurde das langweilig und außerdem wurde es eng, als keiner mehr produzieren wollte,  jetzt machen sie sich alle irgendeine Beschäftigung. Weil sie es eben wollen und Däumchendrehen war dann wohl doch nicht so gut. Tja…. wenn man’s nicht für Geld machen muss, sieht das ganz anders aus. Die Qualität der Leistung übrigens auch.

Ach du heilige Harmonie… nee, nee, so harmonisch ist das alles auch nicht, wir sind ja alle nur Menschen, keine Engel, aber da haben sie sich was ganz Perfides einfallen lassen: sie sagen, mach den Schaden  wieder gut und dann ist die Sache erledigt  – na was haben die sich wohl dabei gedacht, seither will niemand mehr der Oma die Tasche klauen, nachher erzählt die, es war eine Million was weiß ich drin und dann kannste dein Leben lang Schaden wieder gutmachen – nee. Und was so ein gebrochenes Nasenbein kostet, wenn man es wiederherstellen lassen muss also da ist es schon besser erst gar keins zu knicken. Geht ja auch anders, wenn man unbedingt streiten will und Streiten ist nicht verboten. Das geht auch vor Gericht, nur man muss den Streitwert vorher einzahlen und wenn man Pech hat, verliert man und das Geld ist weg und die Gerichtskosten kommen noch obendrauf – Beklagte zahlen übrigens nichts. Für Arme zahlt der Staat den Advokaten und wehe, der weigert sich oder macht Ausflüchte, dann ist er seine Lizenz los. Arme zahlen auch keinen Streitwert, aber wer ist schon arm… nur noch der, der es sein will. Doch, das darf man, freiwillig arm sein, man darf alles, was keinem andern schadet… wie man sich selber schaden will, muss man selbst wissen, da hängt sich niemand rein. Auch nicht, wenn man dran zugrundegeht. Wir gehen davon aus, dass das dann sein Wille war und der ist zu respektieren. Was werden wir jemanden gegen seinen Willen retten – aber wer will, findet immer Hilfe, da sind wir aber so was von nicht kleinlich, das kann sich heute gar keiner vorstellen. Geld spielt dabei nur für die eine Rolle, die helfen, nicht für die, denen geholfen wird.

Jedenfalls kannst du von einem Pol zum andern reisen, du findest überall die gleichen Voraussetzungen. Aber sonst ist nichts vergleichbar, denn die Menschen bauen überall ihre eigene Welt. Russland ist ganz anders als Frankreich und das ist wieder ganz anders als Bolivien… natürlich  – aber ein paar Dinge sind überall gleich: überall gibt es genug zu essen, überall gibt es genug zum Wohnen und überall gilt das gleiche Recht für alle und wehe dir, wenn du meinst, für dich müsste es Ausnahmen geben, weil du ja ein Fremder bist… wenn du dich nicht benehmen kannst, kriegst du es hageldicht, egal wo. Es ist deine Sorge, dich überall wohin du kommst zu informieren wie es da zugeht, ansonsten hast du die Brille auf, Freund und keiner nimmt sie dir ab   – jedenfalls erst mal nicht, bis sich herausgestellt hat, was für ein Trottel du bist. Dann wirst du freundlich zum Ausgang geleitet und sie passen auf, dass du auch wirklich gehst.

Ja, natürlich kann man sich falsch benehmen – zum Beispiel in Mekka im Bikini zur Kaaba marschieren oder in Teheran ohne Tschador in die Moschee oder in Stiefeln in einen Hindutempel einziehen  – ja auf solche Feinheiten wird geachtet – obgleich die Polizisten, die dich gleich maßnehmen werden,  meist an gar nichts glauben, aber sie schützen die Kulturen die nun mal so sind. Im Badeanzug durch Mea Schearim, na sag mal bei dir piepts wohl… na gut, du glaubst nicht an Jahwe aber die hier tun es und das hast du zu respektieren. Ja, es gibt noch Religionen und die werden auch geschützt – nur bevorzugt wird keine und sie müssen sich selbst erhalten. Der Zölibat ist übrigens nicht aufgehoben, aber er ist freiwillig wie auch das Ordensleben – wer will, der kann und wer nicht will muss deshalb auch auf nichts verzichten. Frauen im  Priesteramt – na klar, bis rauf zum Papst. Seither hat sich die Belegschaft des Vatikan signifikant verjüngt. Jetzt gibt es da auch einen Kindergarten und eine Schule für die Kinder, deren Eltern zeitweilig im Vatikan Dienst tun, denn lebenslang bleibt niemand mehr da.

Und das Rückgrat unserer Wirtschaft, die Banken? Die verwalten unser aller Geld, schicken es in unserem Auftrag da und da hin, sichern es vor Diebstahl verwahren unser Erspartes und ja, sie verleihen auch hier und da mal etwas – aber eigene Investitionen tätigen sie nicht und sie müssen den Staaten, deren Finanzen sie auch verwalten, monatlich Rechenschaft ablegen über jeden Groschen. Eine Bank, die ihre Einlagen verjuxt, geht gnadenlos pleite, da hilft kein Beten und kein Flehen und die Wiedergutmachung des Schadens hat sie überdies noch an der Backe und zwar jeder Einzelne. Nix da mit goldenem Handschlag, der Abschied wird in einem solchen Fall gallebitter und die Pension ist hin. Banker sein ist wie Putzen in fremden Häusern. Und was nicht zum Erhalt des Betriebes benötigt wird, bekommen die Auftraggeber – das Bankgeschäft ist nicht mehr lukrativ. Man wird sich nicht mehr darum reißen, es zu tun, aber man wird es tun, weil man es wird tun müssen – für uns alle. Überflüssig zu sagen, dass es Dispokonten nicht mehr geben wird, denn damit haben die Banken ganze Völkerschaften gefesselt und geknebelt. Was nicht da ist, das ist nicht da und Schluss. Wenn die umlaufende Geldmenge nicht mehr dem Nationaleinkommen meinetwegen aller  Länder der Erde entspricht, ist etwas faul – auf jeden Fall dann, wenn sie dasselbe überschreitet. Die Banker muss man eng an die Hand nehmen… denn dass sie reihum nicht vernünftig mit dem Geld umgehen können, das man ihnen anvertraut hat, ist ja nun allgemein bekannt geworden. Aber warum sollte man sie abschaffen, ihre bloße Existenz kann dem Staat viel Arbeit abnehmen.

Nein, ich bin nicht für den Verzicht auf Geld. Ich bin nur dafür, dass es wieder das sein möge, als was es gedacht war: Verrechnungseinheilt mit der eine Streichholzschachtel evaluiert werden kann gegen einen Baukran und mit dessen Hilfe sich eine Fahrradfirma einen LKW zulegen kann, auf dem sie ihre Fahrräder zu den Läden transportiert. Ich bin wie man vielleicht gesehen hat, überhaupt nicht für großartige Verzichtaktionen – außer in all den Dingen, die die Welt nicht braucht und die den Menschen mehr geschadet als genützt haben. Ich bin auch nicht für den Verzicht auf Schweinebraten  – aber ich weiß, für diese Köstlichkeit stirbt kein Tier mehr. Der Schinken kommt vom Band und er war niemals etwas anderes als eben Schinken. Was aus den Tieren wurde? Es gibt sie noch, aber sicher. Kühe geben Milch, Hühner legen Eier und wir bewirtschaften die Bestände wie es die Bauern früherer Tage taten, die auch nicht alle Hähnchenkücken und Stierkälber aufzogen, denn was soll eine Herde mit zehn Stieren? Wir sind nicht gefühlsduselig, aber wir quälen die Tiere auch nicht mehr. Fleischzucht, echte, ist halt eine Nischenproduktion geworden. Die Masse unserer Würste, Rouladen und Putenschnitzel kommt aus der Fabrik. Unsern Dank an die Gentechniker, die es möglich machten. Seit wir die Militärs und ihre Menschenzuchtprogramme abgeschafft haben, was ganz schön Kraft und Manche auch Überwindung gekostet hat, ist aus der Genetik rundum ein Segen geworden. Nicht nur, dass wir jederzeit genug auf unseren Feldern zu stehen haben, wir können auch eine Menge Krankheiten bezwingen oder gar nicht erst entstehen lassen, wie Diabetes, Parkinson, Altersdemenzen, Down – Syndrom, Krebs und vieles mehr – wir korrigieren einfach die Gene entsprechend. Früher hat man Kinder abgetrieben, wenn sie genetisch geschädigt waren – das ist heute überhaupt kein Thema mehr, aber  – es muss schon wirklich was vorliegen, wenn der Genetiker in Aktion tritt, eine unpasse Nase reicht da nicht. Wie wir das anstellen, mit zehn Milliarden Menschen dennoch genug freie Natur zu haben – man frage die Gen- und Ökotechniker, die haben bewirkt, dass wir alle satt werden und es dennoch genug tiefe Wälder, hohe Berge und riesige Gletscher gibt, dass unsere Flüsse und Ozeane sauber sind und unsere Luft im Frühling nach Blumen duftet und nicht nach Industriequalm und das auch mitten in der Stadt. Ja, ja die Religiösen haben sich zuerst aufgeplustert von wegen Gott spielen, aber wir haben ihnen klar gemacht, dass wir nicht Gott spielen, sondern Gott sind und also auch die Erlaubnis haben, unsere Erde zu einem schönen Planeten zu machen. Sie können, sagten wir ihnen, gerne ihren Gott weiter anbeten, aber sie müssten eben akzeptieren, dass er nichts kann und nichts hat. Da sind sie verstummt: was sie in ihren Betstuben weiter quengeln, geht niemanden etwas an. Privatsphäre und Meinungs- und Glaubensfreiheit sind uns heilig, solange, wie schon gesagt, das was dort geschieht, niemandem schadet. Dann aber gehen unsere Behörden da hinein wie der Blitz und lassen, wenn nötig, auch wie der Blitz, nur verbrannte Erde übrig.

A propos Blitz, wie sind wir denn mit der Klimaerwärmung zurande gekommen? Na ja – wir haben einige Experimente eingestellt, daraufhin hat sich das Klima schon bedeutend beruhigt (besonders betraf das die Militärs, aber nicht nur sie), dann haben wir alle fossilen Brennstoffe mit eins vom Markt genommen, das gab zwar fürchterliches Theater, aber wir hatten Alternativen, dann haben wir, weil wir die Technologie ja nun von den Militärs geerbt hatten, für künstliche Abkühlung und eine Regulierung des CO2 – Ausstoßes gesorgt indem wir was zu viel war, einfach zu natürlichem Kohlenstoff regenerierten, was unserer Flora sehr gut bekam und nun haben wir überall wieder alles beinahe wie es sein sollte – na ja, etwas natürlicher Schwund ist auch immer, damit muss man leben. Aber die Bienen fliegen wieder und sammeln Honig und bestäuben Blüten und der Amurtiger ist auch wieder ausgewildert – ach, hab ich beinahe vergessen, ein riesen Dankeschön auch an unsere Zoologischen Gärten, die uns die Vielfalt unserer Fauna über die schreckliche, die gierige Zeit hinweg erhielten. Und unseren Atommüll, den  haben wir in die unserem System nächst benachbarte größere Sonne geschafft, die hat mal kurz „schliff“ gemacht und dann war‘s das. Mit unseren neuen Raumschiffantrieben war das gar kein Problem, die schaffen noch viel mehr. Mit den alten Interessenverbänden wäre so etwas natürlich nicht zu machen gewesen, aber unsere Verwaltung funktioniert jetzt ganz anders. Die Interessenverbände gibt es immer noch, aber sie haben keine politische Funktion mehr, nur noch beratende und wen sie beraten, das erzähle ich euch nur zu gerne.

Da gibt es eine Klasse von Leuten – die kommen von überall her, aus allen Völkern und aus allen Kulturen und aus allen Schichten. Diese Klasse ist nach allen Seiten hin offen für Einsteiger, jeder kann kommen und dazu gehören – wenn er sich dem harten Ausbildungsweg bedingungslos unterwerfen will, der auf ihn wartet. Einmal müssen diese Leute ungeheuer viel lernen, aber etwas Anderes ist noch viel wichtiger: sie müssen erfahren, wer und was sie sind und warum sie hier Verantwortung übernehmen – vom kleinsten Dorf bis zur Weltregierung sind es Leute aus dieser Klasse, welche die Verwaltung besorgen und übrigens auch die Lehrer, die Ärzte, die Richter und die Polizisten stellen. Ausgebildet werden sie in regionalen Zentren, ihre fachlichen Qualifikationen erhalten sie an den Hochschulen. Den Schulabschluss, der sie dazu befähigt, den erhalten alle – so etwas wie Bildungsnotstand gibt es nicht mehr. Analphabetismus ist weltweit ausgerottet, wie Pest, Cholera und Pocken. Wenn der Jugendliche nun seinen Schulabschluss hat, kann er entscheiden, welcher Laufbahn er sich zuwendet: der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kunst, dem Handwerk, dem sozialen Bereich, der Technik, dem Militär (haben wir auch noch, aber mit anderen Aufgaben, denn der Mensch ist nicht des Menschen Feind) oder eben halt dem „staatlichen“ Sektor. Wählt er das Letztere, muss er, wie gesagt, zum Fachstudium noch eine charakterstärkende Ausbildung durchmachen, die einiges an Kraft kostet, aber auch sehr viel an Kraft erst bringt. Wenn er die hinter sich hat, wird er nie wieder von jemandem zu beschwatzen sein und nie wieder von jemanden zu bestechen. Er wird nicht Nein sagen, wenn ihm jemand etwas geben will – aber er wird desungeachtet das machen, was richtig ist und nicht das, was derjenige will. Er wird zu Protokoll geben, dass er von dem und dem das und das erhalten hat und auch, was von ihm dafür verlangt wurde – und er wird es behalten dürfen, klar, der Geber kommt auch auf keine schwarze Liste, aber es kommt eben nichts dabei für ihn herum. Und so läuft sich die Korruption an sich selber einen Wolf, aber manch Regierungsbeamter baut sich ein schönes Heim von solchen Gaben oder schenkt seinen Kindern etwas Tolles, das er sich von seinem – übrigens nicht kleinen – Gehalt dennoch nicht leisten könnte. Gebt mal her, heißt die Devise, gebt immer mal her… aber wir machen damit was wir wollen. Da nie etwas nachkommt, fällt auch nie etwas auf und die Korruption geht immer weiter als ein totes Rennen, als ein wohl bedachtes Ventil für die menschliche Gier, denn irgendwo muss die auch abfließen können. Abschaffen kann man sie ja nicht.

Und wer steht oder was an der Spitze des Ganzen? Einer allein – nein, das wird nicht möglich sein, denn wir wollen ja keine Diktatur haben. Es ist ein Konsortium, das sich entsprechend den grundlegenden Ressorts aufbaut, die von weltweiter Bedeutung sind. Darunter stehen Konsortien, die für die Probleme in den Kontinenten zuständig sind, dann kommen die Regionen und dann die Städte und Dörfer. Die Mitglieder dieser Gremien werden zwar grundsätzlich auf Lebenszeit berufen sind aber jederzeit absetzbar, wenn sie sich als charakterlich oder fachlich unfähig erweisen sollten. Selbstverständlich kann auch jeder selbst und jederzeit sein Amt niederlegen. Berufen werden sie durch ihre Völker aus der „Kaste“ der Staatsdiener. Es gibt also keine Parteienwahlen mehr sondern nur noch personale Referenden von mehr oder weniger Reichweite. Nur das allerletzte Gremium wird aus der Menge der übrigen Gremien bestimmt, alle anderen werden von Völkern entsandt. Und unter ihnen allen herrscht nicht das Majoritätsprinzip, sondern Entscheidungen fallen im diskursiven Prozess und nach Kompetenzerweisen, aber damit sie nicht jahrelang Entscheidungen vor sich herschieben können, gibt es Zeitlimits, die umso kürzer sind, je kleiner der Rahmen ist, den sie betreffen.

Gibt es denn keine Wahlen mehr – doch, natürlich, jeder Verein, jeder Interessenverband wählt seine Funktionäre wie gehabt und selbstredend besteht Vereins- und Verbandsfreiheit, nur: vom Staat gefördert werden diese Vereinigungen nicht. Wenn ihre Mitglieder ein Interesse an ihrer Existenz haben, werden sie selber zusehen müssen wie sie dieselben erhalten, es ist dasselbe Prinzip, das auch die Religionsverbände am Leben erhält oder eben nicht. Ab einem bestimmten Verbandsvermögen werden sie auch zur Steuer herangezogen damit sich keiner durch vorgebliche „gemeinnützige“ Tätigkeiten mehr eine goldene Nase verdienen kann. Ansonsten gibt es alle gewohnten Grundrechte: direkte und indirekte Freizügigkeit, Unantastbarkeit der Person, Recht auf eine dauerhafte Verbindung, ob nun ehelich oder sonst wie, das Recht auf die Erziehung seiner Kinder oder welche er sonst in seinen Familienverband aufnehmen will, Recht auf Eigentum an feststehenden und beweglichen Dingen, Versammlungs- und Informations- und natürlich Meinungsfreiheit, wie gesagt, ich bin kein Freund des Verzichts, auch hierin nicht. Selbst im Falle dass man jemanden in seiner Freizügigkeit einschränken muss, zum Beispiel im Krankenhaus oder auch im Gefängnis wäre damit kein Verzicht auf die Unverletzlichkeit und Unantastbarkeit seiner Person verbunden. Erhebt sich die Frage: was tut man mit jemandem, der für sich selber nicht einstehen kann? Das ist doch ganz einfach: man tut das, was ihn möglichst schnell wieder in die Lage versetzen wird, dies zu vermögen.

Auch der achtsamste Umgang mit unseresgleichen wird nicht verhindern können, dass wir eines Tages sterben. Angesichts steigender Bevölkerungszahlen denke ich über die Institution Friedhof nach – dass ein Verstorbener in Ehren und in Würde von dieser Welt verabschiedet wird, versteht sich von selber, aber was dann? Macht man grüne Kekse aus ihm? Ich meine, man macht gar nichts aus ihm, sondern ernst mit dem Grundsatz „von Erde bist du und zu Erde sollst du wieder werden“. Dazu braucht man keine Friedhöfe, die ja nur aus der Illusion heraus entstanden sind, dass die Toten irgendwann wieder leiblich auferstehen würden. Das tun sie nicht, denn sie sterben in Wahrheit ja nicht einmal, also führe man das, was übrig blieb, wieder dem natürlichen Kreislauf zu. Die sie lieb hatten, werden sie nie vergessen, ob sie nun in Särgen ruhen oder ihre Asche irgendeinen Acker düngt… gleichviel. Wir müssen bedenken, dass wir die Erde nicht zum Friedhof machen können – die Lebenden wollen essen, sie wollen, sie brauchen die Natur so wie sie ist und denen die gegangen sind, liegt nichts an dem, was sie auf Erden waren. Sollen die Nachkommen doch das, was ihnen gehörte, unter sich teilen, da sie es nicht mehr benötigen oder sollen sie doch zu ihren Lebzeiten darüber verfügen wie sie wollen  – immer vorausgesetzt, sie schaden niemandem damit. Und so sind wir gemach von der Wiege zur Bahre gekommen und von dem großen Ganzen der Erde zum Geschick des Einzelnen und vieles müsste und könnte noch dazu gesagt werden, aber ich habe ja gesagt, dass ich hier nicht mehr tun möchte, als zu sagen, wie ich es mir denke, dass es sein könnte. Da ich aber auch nur ein Mensch bin, kann es gut sein, dass ich etwas vergessen habe…

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