30.07.2012

Was soll und was nützt Reinkarnationsglaube?

Die Antwort ist denkbar einfach: er nützt uns gar nichts. Erstens deshalb nicht, weil wir ohne entsprechende Zwangsmaßnahmen überhaupt nichts über unserer „Reinkarnationen“ erfahren können, zweitens, weil wir dann immer noch nicht wissen, ob es wirklich so ist oder ob unsere Wünsche mit uns Karussell gefahren sind und drittens, weil alle diese „Leben“, sollten sie denn stattgefunden haben, abgeschlossen sind und uns in diesem Leben ohnehin nicht helfen können.

Aber  Milliarden Menschen glauben doch fest an Reinkarnation und teilweise belegen sie deren Existenz sogar mit eindrucksvollen Beweisen, ich denke da an einige Vorfälle im Bereich des Hinduismus. Sind die alle wahnsinnig? Nein, das sind sie nicht[1]. Nur geht es dabei etwas anders zu, als hinduistische, buddhistische oder auch esoterische Interpretationen vermelden. Und die Quintessenz von alldem ist: obgleich so etwas stattfindet, ist es für uns nicht nötig, uns damit zu befassen. Damit jeder weiß, wie es aber zustande kommt, dass ein Ich Erinnerungen an vorige Personen hat, die es „gewesen ist“ will ich hier einmal erklären, wie es zu solchen Phänomenen überhaupt kommt und warum der Glaube oder Nichtglaube an sie überhaupt nichts zur Sache tut.

Erstens: kein einziger Mensch auf dieser Erde ist wirklich und wahrhaftig und in Gänze „hier“. Vielmehr ist jeder, ob er es weiß oder nicht nur in der Weise hier gegenwärtig, wie es der Zeh eines Menschen in einem Gewässer ist – er gehört wohl dazu und für jeden Fisch, der zufällig vorbeischwimmt, stellt er ein ganzes Objekt dar (weshalb manche gern daran knabbern), aber kein Mensch wird diesen Zeh, den jemand ins Wasser hält, als den ganzen Menschen ansehen wollen. Denn er weiß es besser – der Fisch aber nicht. Das bedeutet, die biologische Lebensform Mensch ist ohne Zweifel als biologische Lebensform dem „Wasser“ zugehörig, in welches er seinen Zeh hält, aber es ist mehr, was ihn ausmacht. Die Lebensform Mensch ist ein „multidimensionales“ Phänomen in dem sich ganz unterschiedliche Seinsformen zu einer funktionalen Einheit zusammen gefunden haben.

Zweitens: während der Mensch am „Wasser“ sitzen bleiben kann, solange es ihm zusagt, muss er den Zeh doch irgendwann aus demselben ziehen, weil er nämlich kalt wird und sich bei dauerndem Aufenthalt im Wasser auch sonst nachteilig verändert – will sagen, der Mensch stirbt – die Lebensform, die ihn „ins Wasser hält“ aber nicht. Da der Zeh, bleiben wir einmal bei ihm, aber nicht dauernd im Wasser bleiben kann, versucht das Ich, welches die Natur des Wassers in einem langwierigen Experiment erkunden will, es mit anderen Körperteilen, anderen Zehen, Fingern, die es alle bereits an sich hat, die er aber erst nach und nach ins „Wasser“ gibt, denn ein Berührungspunkt reicht ihm aus. So entsteht ein Nacheinander von „Inkarnationen“, die aber insgesamt alle bereits existente Facetten ein und desselben mehr oder weniger Selbst – bewussten Akteurs sind. Er probiert dies, er probiert das und wenn es sein kann, noch etwas ganz Anderes, aber es ist immer derselbe Akteur, der da probiert und untersucht, was er und das Wasser einander zu sagen haben könnten.

Drittens: es ist nicht notwendig, dass die eingetauchten Glieder voneinander wissen – es ist nur nötig, dass der Akteur über seine Aktionen Bescheid weiß und dass sie ihm in irgendeiner Weise nützlich sind und, was sage ich, sie werden es sein, denn Unnützes tut das Leben nicht und wenn es noch so viele Umwege macht. Erfolgen solche Aktionen nicht bewusst, so folgen sie der von der Beschaffenheit des Akteurs vorgegebenen Handlungsstruktur jeweils auf dem Wege des geringsten Widerstandes und nach dem Prinzip der Passgenauigkeit – also dem der Evolution und das bedeutet, sie geschehen in minimalsten Schritten, aber sie geschehen, sobald immer die Bedingungen dafür geeignet sind. Die sind, je nach der Eigenart des Akteurs, sehr verschieden, denn kein solcher Akteur gleicht dem andern, wenn auch gewisse grundlegende Ähnlichkeiten nicht zu leugnen sind. Alle werden sie einen Kopf, einen Rumpf und dieselben Gliedmaßen haben, alle werden sie aus befruchteten Keimen entstehen, alle werden sie nach einem zwischen diesen Keimen ausbalancierten Bauplan entstehen, den man DNS (Desoxiribonukleinsäure) nennt und die als solche ein Derivat einer anderen Aminosäure, der RNS (Ribonukleinsäure) ist. Diese gibt sozusagen das Grundmuster vor, während die DNS für die „Feinheiten“ sorgt. Dabei passieren natürlich auch Pannen – aber Vorsicht, manche dieser Pannen haben es in sich, vor allem dann, wenn es um die intellektuelle Leistungsfähigkeit des späteren Menschen geht. Man kann nie sagen, ob eine solche Abweichung nicht in der „Absicht“ des abwesenden Akteurs liegt, der damit einen ganz bestimmten Zweck erfüllen und etwas ganz Bestimmtes wissen möchte. Körperliche Entstellungen sind hingegen meist auf Unverträglichkeiten der Keime untereinander zurück zu führen, obwohl… so mancher Wildling hat schon versucht, wie es sich ohne Beine oder Arme dennoch leben lässt, denn die Neugierde der ewigen Wesen mit dieser so fragilen und flüchtigen Lebensform dies und das anzustellen ist unersättlich. Man kann es in etwa mit einem Kind vergleichen, das einer gefangenen Fliege die Beinchen ausreißt um zu sehen, wie sie auf drei oder gar zwei Beinchen noch vorwärts kommt – dass man das nicht macht, wer soll das von Anfang an wissen, verhalten sich doch auch  ausgewachsene Menschen untereinander oft genug nach diesem Schema. Die Aminosäuren sorgen also dafür, dass erstens ein Mensch, zweitens dieser oder jener bestimmte Mensch entsteht: mit blondem oder schwarzen Haar, blasser oder dunkler Haut, männlichen oder weiblichen Geschlechtsmerkmalen, kräftigen oder zarten Muskeln, wenig oder starker Körperlänge und so fort, die sogenannten Erbkrankheiten inklusive, die mit der mütterlichen oder väterlichen DNS in die neue DNS eingegangen sind, die sich aus beiden bildete. Die Aminosäuren sind aber nicht Besitz der Mutter oder des Vaters, sondern sie sind Bestandteile der Struktur, die man Materie nennt und die das Universum bildet. Und so sind wir Menschen durchaus, wie es jemand zu nennen beliebte, Sternenstaub, aber eben eine ganz bestimmte Sorte und unter ganz bestimmten Bedingungen, sonst bleibt es beim Sternenstaub. Wie man schon sieht… von der Idee, dass da jemand „dran gedreht“ haben könnte, nehme ich entschieden Abstand. Ich nehme aber keinen Abstand von der Annahme, dass das Generalprinzip von allem was geschieht, also die Evolution selbst, etwas ist, woran durchaus „gedreht“ worden ist. Es bleibt bei allem jedoch dabei, dass es für die entstehende Lebensform nicht notwendig ist, um alle vorigen Lebensformen, welche mit „seinem“ Akteur zusammen hängen, zu wissen. Im Gegenteil – es wäre sehr schädlich, denn es wäre verwirrend und würde die Eindeutigkeit des Ergebnisses verzerren, wenn Elemente aus andern Experimenten da hinein gerieten. Irgendwann, niemand kann das vorhersagen, wird dann der ganze Faden der Experimente „hochgezogen“ und unser Akteur kommt zu sich selbst und weiß um sich selber und dann also auch um alles, was er derweil so getrieben und womit er herumprobiert hat, aber – das interessiert ihn dann schon nicht mehr.

Ich sagte, diese Dinge gelten für den, der an sie glaubt ebenso wie für jeden, der nicht daran glaubt. Und es gibt auch gute Gründe, sehr logische, warum es so sein sollte. Ein Leben bis zu dem Punkt zu führen, an dem ich angekommen bin und an dem auch jeder andere Mensch ankommen kann, beansprucht sehr viel mehr Zeit als ein selbst langes Erdenleben hat. Dass es diesen Punkt gibt, dafür kann ich allerdings garantieren – allerdings glauben die meisten nur, dass sie an ihm wären. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die dort wirklich angekommen sind, am nächsten ist ihm wohl der Siddharta Gautama gekommen, eine Ahnung davon was es sein könnte streifte auch Rumi, aber er blieb gottsuchender Mystiker und damit zurück, ein weiterer Kandidat war vielleicht Friedrich Nietzsche der Philosoph der erkannte, dass Gott tot ist (was richtig ist), aber der wurde durch seine Krankheit an der Rezeption dessen gehindert. Dann kenne ich noch einen, dem es ähnlich wie Nietzsche ging, einerseits kam er dahin, andererseits wurde er durch Sucht daran gehindert, es aktiv umzusetzen und ich kenne einen, der leider irgendwie das Gottmärchen noch spielt obgleich er es längst besser wissen müsste. Aber all diese Gestalten und noch einige mehr sind schon zu viele um das, was da geschehen kann, ins Reich der Fabel zu verweisen. Es gibt dieses Ganze, das der Mensch recht unbeholfen Gott nennt, und das sehr viel mehr ist als die Summe einiger Reinkarnationen. Nur eines ist wahr und wird immer wahr bleiben solange die Erde besteht: an einem anderen als an einem wie sie gearteten Punkt kann man zu sich selbst nicht kommen. Daher ist das so kurze Erdenleben leider Pflicht und nicht etwa Kür, und da es eben nicht ausreicht wie es ist, hat man mehreres davon, das ist alles. Wie viele man hat, richtet sich nach der Bewusstheit mit der man die Dinge angeht, denn es ist dabei durchaus möglich, Wissen zu erwerben und das Heft selbst in die Hand zu nehmen, man muss nicht warten bis „es“ passiert. Man muss auch nicht von einem Versuch zum andern Äonen warten – bei mir waren es von meinem letzten Todestag bis zu meinem letzten Geburtstag knapp sechs Jahre[2], mein letzter Schnaufer war also sozusagen auch schon mein erster Schrei.

Wo und wann mir das klar wurde? Nun, nicht beim Reinkarnationstherapeuten, der mir diesen und jenen Bären aufgebunden hat, sondern dort, wo wir alle gleich nackt und  bloß sind: in unseren Träumen. Weil es so gar nicht in das Bild passte, das ich damals von mir hatte, habe ich mich sehr gewundert, wie ich in diese Umgebung komme – und nicht nur einmal, sondern in ganz verschiedenen Situationen so als wollte mir jemand sagen: bitte, vergiss das nicht. Eine andere Inkarnation wurde mir auf demselben Wege schon früher eröffnet, auch durch mehrere Sequenzen hindurch – aber die war um Längen angenehmer. Verwundert hat aber auch sie mich, denn ich bin mitnichten ein Mensch, der auch nur irgendetwas von diesen beiden psychologischen Mustern an sich hat. Ich bin weder ein übertriebener Rationalist, noch bin ich irgendwie sentimental und ein Familienmensch wie die letzte Inkarnation bin ich schon gar nicht. Immerhin – die Geschichte beider Personen kenne ich jetzt besser als die Historiographen, die sich mit ihnen beschäftigt haben, denn ich kenne sie von innen her. Man fragt auch oft, warum Reinkarnationen immer bedeutende Persönlichkeiten sein müssen. Nun, ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, dass dies keineswegs der Fall ist und Ergebnissen sogenannter Reinkarnationstherapien misstraue ich ohnehin gründlich, denn hier ist sehr oft der Wunsch der Vater des Gedankens, der tief verborgene Wunsch, sich irgendwie aus der Masse des Allerlei zu heben, der in der Hypnose dann herauf geholt wird und solche Chimären produziert. Die echten Reinkarnationen kommen über den Menschen ohne dass er sie ruft oder rufen lässt und sie können sehr banal sein.

Es gibt bei dem ganzen Schnüffeln nach Reinkarnationen, welches die Esoterik anstellt, ein paar bedeutsame Klippen, deren eine die bewusste Identifikation mit bestimmten Menschen ist, die man bewundert oder auch (durchaus) verabscheut, aber mit jenem Abscheu, der fragt: wie ging das, wie konnten sie sein was sie waren? Und so kommen wir dann auf einige gute Dutzend Napoleons oder Luthers oder auch, unseligen Angedenkens, Adolf Hitlers und einige andere Personen der Weltgeschichte sind auch regelmäßig mit von der Partie. Dagegen gilt aber eisern: wir waren nicht, was wir bewundern, sondern was wir waren wissen wir nicht, bis es sich uns offenbart; es offenbart sich uns niemals ohne Grund, bestimmt aber niemals aufgrund einer Hypnosesitzung. Unsere Sympathien mit bestimmten Kulturen oder Personen haben damit nichts zu tun. Ich sage das, weil ich in der Vergangenheit durchaus auch in solche Fallen getappt bin. Das Ergebnis war dann weitaus bescheidener oder auch unbescheidener, wie man will, aber mitnichten so reichhaltig wie meine Interessen am menschlichen Geistesleben gestreut sind. Mitunter aber klappt es doch – da gab es in einem indischen Dorf eine Frau von der niemand mehr spricht und die niemand mehr kennt, aber von dieser Frau her rührt meine Vertrautheit mit der hinduistischen Kultur Indiens. Sie lebte in einem relativ großen Holzhaus mit schön geschnitzten Details und sie lebte von ihrem inneren Empfinden her glücklich inmitten ihrer Familie und ihrer Gemeinschaft. Nach der unmittelbaren Umgebung zu urteilen war das wohl mehr im Norden und die Zeit war wohl eher die vor der Eroberung des Nordens durch die Moghuln, aber Indien ist ja in gewisser Weise zeitlos und so könnte es auch gut und gerne das vorvergangene Jahrhundert gewesen sein oder die erste Hälfte des vergangenen. Hingegen habe ich mit den Kulturen des amerikanischen Kontinents oder mit Afrika, sieht man von Ägypten ab, keinerlei Berührungspunkte, auch nicht mit Australien oder mit Polynesien, obgleich alle diese Kulturen, auch die Ostasiens, mich brennend interessieren. Ich weiß auch nichts mit Russland anzufangen und nichts mit Skandinavien, Frankreich oder den Niederlanden, nichts mit Polen, nichts mit dem Balkan und meine Erinnerungen an Griechenland sind so alt, dass es damals noch kein Griechenland gab, nicht einmal eine kretisch – minoische Kultur, daher ist, was da kommt eher schattenhaft und von einem seltsam dunklen, grünlichen Licht erfüllt wie es ganz sicher keines zu der Zeit gegeben hat. Es sind eben „alte Kamellen“ und für meine spätere Entwicklung als Wesen sind sie ganz und gar unwichtig.

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt in der Skala der die Reinkarnation betreffenden Vorurteile: dem sogenannten Karma. Damit wird schlicht und einfach, so es richtig gemacht wird, die Quintessenz der Erfahrungen gemeint, die das Wesen in und mit einer bestimmten Versuchsanordnung gemacht hat. Auf seine weitere Entwicklung haben diese Erfahrungen wohl einen im weitesten Sinne pädagogischen aber keinerlei prädestinativen oder gar moralisierenden Einfluss. Daher folgt die „Kette der Reinkarnationen“ auch keinem „karmischen Gesetz“ in herabgesetzter oder heraufgesetzter sozialer Rangordnung, wie es die Hindus glauben, sondern sie folgt einzig und allein dem Willen und Vorsatz oder eben im anderen Falle der sich ergebenden Gelegenheit seitens des konkreten Wesens. Da auch dieser Wille sich mit der fortschreitenden Reife eines Wesens ändert, kommt dabei dann schon eine gewisse Konsequenz zum Vorschein – wenn man es von hinten her betrachtet – aber mit menschlichen Parametern ist diese Konsequenz nicht zu vergleichen.

Aber was hört man nicht alles für Mären vom Karma? Es soll karmisch ungünstige Verhältnisse oder Orte geben – mit sind, irdisch wie spirituell, keine bekannt. Es soll karmisch gut sein, dies oder jenes Ritual durchzuführen – ich wüsste nicht wozu das am Ende gut sein sollte. Es soll gar Menschen geben, mit denen umzugehen karmisch vorteilhaft oder unvorteilhaft wäre  – mir sind solche Menschen noch nie über den Weg gelaufen und ich kenne sowohl „Erleuchtete“ als auch Kriminelle und ziemlich viel dazwischen. Aber wenn sie auch nicht „karmisch“ waren, also auf mich keinerlei existenziellen Einfluss auszuüben imstande waren, eines waren sie mit Bestimmtheit: interessante Einblicke in die Vielfalt menschlicher Möglichkeiten. Halten wir aber fest: immer und unter allen Umständen ist er Mensch in dem sich das Wesen in einem bestimmten Aspekt offenbart, für seine Handlungen selbst verantwortlich, er wählt sein Milieu, er wählt seine Taten und er allein entscheidet darüber, ob er eine Tat unterlässt. Es ist ein Mythos, dass der Mensch lebenslang von seiner Kindheit abhängig wäre… wobei ich durchaus in Rechnung stelle, dass nicht erworbenes Urvertrauen den Lebensweg eines Menschen schon erschweren kann – aber es beraubt ihn nicht der Möglichkeit zur eigenen, autonomen Entscheidung über dieses Leben. Nein zu sagen ist ihm immer und jederzeit gegeben – es sei denn, er wolle dies nicht, dann kann keine Macht der Welt ihn dazu bewegen. Sicher hat seine Verantwortlichkeit auch ihre Grenzen – für das was er nicht wissen kann (und er ist nun einmal niemals alles wissend), kann  er auch nicht verantwortlich gemacht werden – aber innerhalb dieser Grenzen ist es unredlich, von der Verantwortung eines Anderen zu reden, wenn es um die eigenen Taten geht. Über sein „Karma“ also die Gesamtheit der in einem Leben gemachten Erfahrungen und ihre Be- respektive Ver – wertung bestimmt jedes Wesen aus eigener Machtvollkommenheit. Die nun wieder richtet sich nach dem, was dieses Wesen von sich selbst weiß – und nach dem, was sie als Kompass dieses Lebens in sich selber fühlt. Denn jeden Menschen ist ein tiefes Gefühl dessen zu eigen, was er tun sollte und was nicht, wem er folgen sollte, und wem nicht. Wenn so das „Herz“ Ja gesagt hat und der Verstand Nein, dann sollte man dem Herzen folgen, umgekehrt auch, wenn das Herz Nein gesagt hat und der Verstand Ja. Denn das, was wir das „Herz“ nennen, ist das Zentrum unseres Bewusstseins auf Erden und schon beinahe nicht mehr auf Erden, so tief ist es in uns verankert und so sicher vor jedem fremden Einfluss. Aber weil es so tief und sicher „vergraben“ ist, kann es zuweilen auch überhört werden, so eindringlich sein Schrei: lass das! oder auch: mach das! ist. Wir haben die Möglichkeit, es mit unseren Verstandesgründen zu übertönen – freilich, die Konsequenzen werden dann die nämlichen sein, das Fiasko nämlich, in das uns unsere Argumente führten. Aber da ist nichts von einem „allwaltenden“ Karma, sondern das sind, vom Zeh bis zur Haarspitze, wir selber und zwar nicht in irgendeiner Inkarnation, die lang verwest ist, sondern genau in dem Moment, in dem wir tun was wir tun. Da ist lange zum Reinkarnationstherapeuten rennen reine Geldverschwendung. Dann werfe man es besser in die Kläranlage, dort kann es als Filterpapier noch einen gemeinnützigen Zweck erfüllen.

Fakt ist: was wir selber sind, kann uns keine Reinkarnation erklären, weil sie selbst nur Etappe auf dem Weg ist und keineswegs einem linearen Fortschritt dient, sondern im allgemeinen einer chaotischen Versuchsplanung folgt. Nicht wir sind die Folge unserer Reinkarnationen, wie uns Hinduismus und Buddhismus erklären wollen, sondern unsere Reinkarnationen sind im Gegenteil die Frucht unseres komplexen Wesens, das sich mit ihrer Hilfe selbst ordnet indem es dies und noch etwas versucht. So kann eine Inkarnation tief hinunter führen, die nächste womöglich noch tiefer und beide dienen nur dem Zweck, etwas bis zuletzt Aufgehobenes nun endlich doch zu tun und so geschieht das Größte oft gerade dort, wo der Unkundige das Kleinste vermutet. Viele Erste werden Letzte sein und vice versa und man soll nicht von der Gestalt eines Menschen auf dessen geistige Bedeutung schließen wie das Hindus oft tun[3], aber auch Menschen in unseren Breiten lassen sich oft von einem Anzug mehr leiten als von einem Wort[4].

Es kommt und dies ist mein Anliegen zu erläutern, nicht auf irgendwelche moralischen oder gar „kosmischen“ Gesetzlichkeiten an, denn solche gibt es zumindest in der Welt des Geistigen nicht, sondern einzig und allein auf Willen und Vorsatz dessen, der sein Leben, ungeachtet aller früheren Leben, auf sich nimmt, sich zu ihm bekennt wie es ist und – es nach bestem Wissen und Gewissen in Verantwortlichkeit vor seinen Mitmenschen lebt. Ist er arm, so strebe er nicht nach Reichtum, ist er wohlhabend, so strebe er nicht nach mehr, sondern genüge sich darin, Erreichtes zu bewahren und wenn ihm das nicht gelingt, möge er nicht traurig sein… es ist eine alte Weisheit und sie bewahrheitet sich immer wieder, dass jemand, je näher er den wirklich wichtigen Dingen ist, den Äußerlichkeiten des Lebens immer ferner rückt. Er möge sich davor hüten, die notwendigen Dinge schleifen zu lassen, dann hat er für seine menschliche Existenz genug getan. Wenn er Wissen erwerben will, so erwerbe er es ohne Scheu so viel er davon kann, es wird ihm zwar nicht dabei helfen, zu sich selber zu kommen, aber es könnte ihm dazu verhelfen, mit dieser Welt besser zurecht zu kommen. Frühere Inkarnationen sind dabei, wie man verstehen wird, nicht von Interesse, es geht immer um dieses konkrete Leben und um nichts anderes – in den vergangenen ist es auch nur darum gegangen. Das, was vergangen ist, kann uns in der Gegenwart nicht mehr nützen, noch kann es dem, was wir in der Vergangenheit getan haben, irgendwie nützlich sein, denn beides ist eben dadurch, dass eins vergangen ist und dem gegenwärtigen Dasein unerreichbar, von keinerlei Interesse mehr für uns.

Was soll und was nützt Reinkarnationsglaube? Ich sagte, er nütze uns nichts, vielmehr, sage ich, nützt es uns etwas, das Leben, das wir haben, so bewusst und verantwortungsvoll wie nur möglich zu führen. Das ist nicht einfach, viel leichter ist es, uns treiben zu lassen und dabei vielleicht noch einigen Inkarnationen träumend nachzuhängen, in denen wir vielleicht mehr vermocht und auch getan haben und die sich weitaus bequemer leben ließen. Inkarnationen, sagte ich, finden zwar statt, aber sie haben keinerlei Wert für unsere Selbsterkenntnis. Sie sind vielmehr ein Puzzle, sagte ich, das sich erst im Moment in dem wir uns selbst erkennen, zu einem Einzigen zusammensetzt und als Bild zu betrachten ist. Keine von ihnen war vergeblich – aber auch keine brachte uns die Erkenntnis dessen, was wir sind  – manche, sehen wir dann, waren näher daran, manche standen dem ganz fern, und alle insgesamt kreisten um das, was sie dann nicht erreichten und wurden unwesentlich, sobald es erreicht war. Was aber nichts mehr vor sich hat, was keine Zukunft mehr hat, in der es sich verändern könnte, wird als Vergangenes sichtbar und so sieht jeder, der sich selbst erreicht hat, das, was dahin führte – aber nun nirgendwohin mehr führen kann und damit auch ganz und gar obsolet geworden ist.

Halten wir fest: Inkarnationen, „frühere Leben“ gibt es, denn wäre das Ziel der Erkenntnis auf ein einziges Leben begrenzt, niemand könnte es jemals erreichen und außerhalb der menschlichen Sphäre ist es ohnehin unerreichbar. Die Etappen langsamer, evolutionärer Formung sind notwendig, für den Leib, wie für den Geist. Aber – frühere Leben bedeuten nichts als eben stattgehabte frühere Leben. Durch sie wird das Ziel der Erkenntnis sozusagen millimeterweise eingekreist bis nichts mehr bleibt um ihm auszuweichen. Aber kein einziges „früheres Leben“ kann auch nur einen Millimeter zu unserem gegenwärtigen wegnehmen oder  hinzutun, jedes Leben steht für sich, keines ist mit dem anderen irgendwie „karmisch“ verbunden, keines folgt aus dem anderen, hier irrt auch der Buddhismus, der erklärt, dass ein Leben sich aus bestimmten Eigenschaften zusammensetzen würde, die von der früheren Inkarnation besonders präferiert worden wären. Ist das Experiment abgeschlossen, dann ist es abgeschlossen und von keinem geht mehr etwas in ein anderes über – nur von dem Wesen, das sie alle in der Hand hat, kann etwas an Erfahrung aus einem in ein anderes Leben übernommen werden.  Das geschieht aber nicht karmisch, sondern je nach Notwendigkeit und Tauglichkeit, nicht vergeltend, sondern auswertend. Das Wesen, der Gott in uns, ist der Designer und er allein ist fähig, jene Konstellation zu schaffen, in der er sich im Menschen spiegeln und wiedererkennen kann und im gleichen Moment sagt auch der Mensch „das bin ich“. Alles was jemals gewesen ist, ist in dem aufgehoben und eine Zukunft wird von hier aus erst bewusst gemacht, vorher gab es in diesem Sinne keine, sondern nur ein Weiterschieben des Bekannten in Unbekanntes hinein. Ein Prozess ist abgeschlossen, ein neuer beginnt, denn die Bewegung, die mit dem Öffnen des Ursprungs und Vorbilds von allem begann, ist niemals abgeschlossen. Was also soll uns da der Blick nach hinten in das, was wir ohnehin nie mehr erleben werden? Alte Leben sind zerfallen wie alte Häuser. Wir haben vielleicht noch ein Foto davon – mehr haben wir nicht. Ob wir also an Inkarnationen glauben oder nicht – es kommt auf eines hinaus: wir leben jetzt und ein anderes Leben haben wir auf Erden nicht. In dieser Einsicht können die, welche daran glauben und die, welche das ablehnen, miteinander in Frieden leben – sie haben einander nichts voraus und nichts zurück und müssen einander nicht bezweifeln. Und die diversen Reinkarnationstherapeuten – ach Leute, wenn ihr nicht gerade entschieden des Geldes zu viel habt, dann spart doch eure Groschen besser für ein gutes Essen, einen guten Tropfen oder ein schönes Konzert…

 

 

 


[1] auch dann nicht, wenn wir in Betracht ziehen, dass Milliarden andere Menschen einem anderen Irrglauben huldigen und das klappt auch…

[2] übrigens war ich ganz und gar nicht erfreut über diese vorige Inkarnation….ich halte sie für einen großen Fehler, aber auch einige andere waren falsch berechnet sodass das dann nicht weiter ins Gewicht fällt.

[3] Dazu gehört auch die Beachtung, welche der mit Absicht exotisch oder schockierend auftretende Sadhu genießt.

[4] ebenfalls rituelle `Kleidung inbegriffen

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