29.12.2014

Kleine Festivitätenlehre

oder
warum wir die Feste feiern wie sie fallen

Ich habe mich zwar schon früher hier und da zum europäischen Festkalender geäußert, aber jetzt wurde die Bitte an mich herangetragen, doch etwas darüber zu sagen, warum wir hier Weihnachten und Ostern feiern und zu Sylvester die Gläser und die Lunten zücken. Dieser Bitte möchte ich entsprechen.
Wir sind Menschen und freuen uns, dass wir geboren sind. Denn wir zumindest sehen darin eine beneidenswerte Chance, die wir nutzen können – manchmal freilich ist es auch eine Bürde, wenn man es nämlich oft genug getan hat und ich bin ganz froh, dass ich die eigene Geburt niemals mitbekommen habe und auch die ersten Monate stets in seligem Dämmer verleben durfte. Aber der Geburtstag hat für uns etwas so zutiefst Menschliches, dass wir ihn schon darum gerne feiern – wie ausgiebig, ist unsere Entscheidung. Die Geburtstage unserer Lieben feiern wir selbstredend auch. Desgleichen Hochzeiten, Taufen, ja auch Todesfälle wie immer sie uns begegnen und wir haben, denke ich, kein schlechtes Gewissen dabei, dem Menschsein auf diese Art die Ehre zu geben, dem eigenen und dem der Anderen.
Ansonsten hält unsere Kultur aber noch eine Reihe Festtage für uns bereit – zuvörderst den Sonntag, den wir als Ruhetag schätzen und manchmal auch als den Tag, an dem wir erledigen können, wofür die ganze Woche über keine Zeit blieb. Das müssen nicht immer wichtige Dinge sein, die sind aber natürlich auch möglich, wenn sie nötig sind. Darin unterscheiden wir uns also nicht von unseren Mitmenschen und auch nicht in der Art wie wir die restlichen Feste begehen. Weihnachten möglichst mit Baum und Gans, Ostern natürlich mit Eiersuchen… warum nicht. Keine Christgeburt, keine Auferstehung – was schert es uns, denn die beiden Feste insbesondere sind uralte Gelegenheiten der Menschheit, sie festlich zu begehen, sie also aus dem Einerlei der Tage zu erheben. An Weihnachten feiern wir die Neugeburt des Lichtes, an Ostern das Keimen des neuen Frühlings und beides tun wir ganz und gar guten Gewissens. An Himmelfahrt glauben wir zwar nicht, aber ein freier Tag muss ja kein Feiertag sein und an Pfingsten des Geistes zu gedenken, den wir besser kennen als die Kirchen, sollte uns nicht fremd sein. Religion hat damit, wie man sehen kann, nichts zu tun. Es geht um den Menschen und um seine Welt und konkret geht es hier um die nördliche Erdhalbkugel auf der wir leben.
Uralte Feste: ja, bereits als Stonehenge noch im Bau war, feierten die Menschen die beiden Sonnenwenden des Sommers und des Winters, feierten sie auch die beiden Tagundnachtgleichen auf besondere Weise. Wir sind keine Naturschwärmer, aber diese Tage haben durch die vielen Feste, die an ihnen begangen wurden, ein eigenes Gewicht erhalten. Die Römer feierten im Dezember, ihrem zehnten Monat, die Saturnalien, ein lustiges Fest, an dem man einander besuchte und einander Scherzgeschenke machte. Dann, späterhin, lag am 25. Dezember das Fest des Unbesiegten Sonnengottes und wies darauf hin, dass die Tage wieder länger wurden, auch wenn man es noch nicht recht merkte. Aber da war Stonehenge schon wieder verfallen. In Ägypten feierte man um diese Zeit vom ersten bis zum sechsten Januar das Aionfest, das die fünf Übertage eines jeden Jahres, der Monat hatte dreißig, das Jahr aber dreihundertfünfundsechzig Tage aus der Arbeitsrechnung nahm, sie galten als Unglückstage, an denen man sich besser nichts Ernsthaftes vornahm. Ein großes Fest vom fünften auf den sechsten Januar schloss sie ab – ein reines Nachtfest, das am Tag wieder in den normalen Kalender mündete, den man zwar etwas müde, aber wohlgemut als das neue Jahr begrüßte. Dann erst kamen die Christen mit ihrem Epiphaniasfest – dann erst kam das koptische Weihnachten. Genau so war es in Rom – erst war da der Sonnengott, erst dann kam die Christgeburt. Aber ein Fest wurde schon lange gefeiert, ehe Christus am Horizont erschien. Und so feiern wir es also auch, guten Gewissens, ich sagte es schon. Wir feiern nicht das Aionfest, wir feiern nicht die Sonnenwende, oder den Tag des Sol Invictus, wir feiern Weihnachten, strahlend, bunt, fett und warmherzig.
Wir feiern auch Ostern. Auch wenn wir an die Auferstehung Christi nicht glaubenm in gewisser Weise ist jedes Osterfest ein Fest der Auferstehung von den Toten, denn die Natur ist es, die aufersteht. Und wie Goethe sagt: denn sie sind selber auferstanden… und das sind wir. Manche mögen an diesem Tag ihrer eigenen Auferstehung gedenken, an den Moment, der ihnen ihr Innerstes schenkte und sie zu dem erneuerte, was sie nun sind. Das ist ein Tod und das ist eine wahrhaftige Auferstehung zu einem neuen Leben. Das Erwachen der Natur erinnert uns daran, auch wenn dieser Moment zeitlich nicht mit dem Osterfest zusammentraf. Auch den Frühling feierte man im alten Ägypten. Man feiert ihn noch heute: das Schams el Nesim – Fest. Es ist nicht an das Osterfest gebunden, es ist ein eigenes Fest, das Christen und Muslime dort in Eintracht begehen, weil beide Ägypter sind und ihrer uralten Kultur verbunden. Aber es zeigt uns: Frühlings Erwachen spielt nicht nur bei Christen und ihrem Osterfest eine Rolle.
Aber niemand sollte vermuten, wir glichen uns dem Festkalender nun sklavisch an – einige Feiertage sind für uns nur freie Tage und ansonsten durch nichts weiter ausgezeichnet, so der dritte Oktober, der deutsche Nationalfeiertag und auch der erste Mai, insofern er als der Internationale Tag der Arbeit gefeiert wird. Himmelfahrt zählt dazu, denn niemand ist noch wird jemals gen Himmel fahren, es sei denn er tat es mit Hilfe der Technik, das ist schon passiert und wird wieder passieren. Wir haben aber natürlich einen Hintergedanken bei all der Feierei und Freierei – die Freiheit vom Zwang, sowohl, etwas begehen zu müssen, als auch etwas nicht begehen zu dürfen. Fröhlich mit den Fröhlichen zu sein ist uns Bedürfnis. Wer meint, dass Gnostiker eingebildete, missmutige, hagestolze Leute wären, die hochmütig auf das Treiben der Welt herab sehen würden, ich weiß nicht, was der sucht, aber Gnosis sucht der nicht.

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