19.07.2014

Über den Ursprung der Freimaurerei und über einige Vorurteile

1. Der Ursprung der Vereinigung
Die Freimaurerei ist ein Kind insbesondere der englischen Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts. Die erste Großloge wurde 1723 in London eröffnet, was voraussetzt, dass es schon einige Zeit zuvor Bestrebungen zu einer solchen gegeben haben muss, wovon aber nichts Genaues bekannt ist. Mit einigem Mut kann also bereits das siebzehnte Jahrhundert als Vorbereitungszeit einbezogen werden. Das ist umso wahrscheinlicher, als die erste freimaurerische Verbindung im Jahr 1598 nachgewiesen ist. Es handelt sich um die Loge Mother Killwinnig No. 0, wie man sehen kann, eine englischsprachige Verbindung. Die Verbindung zu den aus dem Mittelalter stammenden Bauhütten wird dadurch geschlossen, dass diese, die sich in der beginnenden Neuzeit mit ihrer Erosion des Zunftwesens im Niedergang befanden, nicht zünftige vermögende Bürger als „freie Maurer“ aufnahmen, deren Zuwendungen die Existenz der Bauhütten sicherten. Diese „free masons“ mussten sich nicht an die Zunftbräuche halten und mussten auch das Handwerk nicht ausüben. Der erste Nachweis solcher free masons geschieht im Rechnungsbuch der Virginia Company of London im Jahre 1620. Einzige Bedingung für die Aufnahme war die Zusicherung absoluter Verschwiegenheit nach außen, was sich sowohl auf die bloße Zugehörigkeit als auch späterhin auf alles erstreckte, was innerhalb der Verbindungen vor sich ging.
Während der Niedergang der Bauhütten aber auch durch diese Einrichtung nicht aufzuhalten war, formierten sich die „freien“ oder, wie sie ebenfalls oft genannt wurden „angenommenen Maurer“ zu einer eigenen Institution mit eigenen Zielen. In einer bürgerlichen Institution Englands konnte das nichts Anderes sein, als die Verbreitung der aufklärerischen Sichtweisen und Ideale der Zeit. Zunächst entstanden in London, dann auch in anderen britischen größeren Städten kleine Zirkel, die nicht mehr mit traditionellen Bauhütten in Zusammenhang standen, sondern ein bürgerliches Eigenleben führten und nach eigenen Normen des Zusammenhaltes suchten. Dabei wurde die Arkanpflicht immer mehr ausgeweitet, die Mitglieder erkannten einander an bestimmten Codewörtern und Codegesten, die zum Teil heute noch gültige Erkennungszeichen sind. Es entwickelten sich, angelehnt an alte Bauhüttenbräuche, eigene Rituale, denen aber kein sakramentaler Charakter zukam, da die Vereinigungen sich nicht als Zusammenschlüsse sakralen Charakters ansahen, die vielmehr als bloße Gemeinschaft stiftende Verrichtungen gelten sollten. Die englische Freimaurerei war auch maßgebend für die frühe Verbreitung freimaurerischer Bünde in den englischen Kolonien Nordamerikas und somit in den Vereinigten Staaten von Amerika, zu deren Gründervätern fast durchweg Freimaurer zählen.
Von London aus gelangte das Freimaurerwesen relativ schnell hinüber nach Frankreich und die französischen Aufklärer griffen die Idee dankbar auf und organisierten sich vielfach nach dem gleichen Muster. Aber die Begründung des Freimaurertums in Frankreich stieß auf die hier sehr viel stärker als in England entwickelte Individualität der Aufklärer und so kam es zunächst zu vielfachen Streitigkeiten und Rivalitäten, in denen ein erster Versuch, die Maurerei zu begründen (1738 die erste Grand Loge de France) scheiterte und erst 1778 mit der Gründung des Grand Orient de France eine zentralisierte Struktur dauerhaft eingerichtet werden konnte. Es ist bekannt, dass namhafte französische Aufklärer Mitglieder in französischen Logen waren, aber es ist auch bekannt, dass keineswegs alle französischen Logen auch Horte revolutionärer Gesinnung gewesen sind. Die Aufklärung ergriff nicht, wie in England, vorwiegend die bürgerliche Klasse, sie ergriff in Frankreich vielmehr auch viele Angehörige der unteren und mittleren Adelsränge, die durch den französischen Absolutismus und durch dessen straffe Zentralisation auf Hocharistokratie und Königshaus als die allein wirksamen politischen Faktoren dem Bürgertum in vielfacher Hinsicht geistig und materiell näher standen als der Aristokratie. Diese Adeligen hatten verständlicher Weise bei allem Willen zu Reformen wenig Interesse daran, ihre ohnehin nicht besonders zahlreichen Privilegien zugunsten einer egalitären Ordnung aufzugeben und standen daher der sich anbahnenden Revolution von 1789 skeptisch bis ablehnend gegenüber, ohne indes ihren aufklärerischen Impuls zu verleugnen. Dies spiegelte sich auch in den Logen wider und so kam es dazu, dass die erste französische Großloge, eben jene Grand Orient, stark unter adeligem Einfluss stand, so stark, dass sie einen royalen Hocharistokraten zum Großmeister einsetzte (Louis Philippe d’ Orleans). Eine mit der Grand Orient rivalisierende rein bürgerliche Loge, die Grand Loge de Clermont, bestand noch bis 1799 also über das Ancien Regíme und die Zeit der Revolution hinaus bis in die napoleonische Ära.
Von Frankreich aus gelangte die Freimaurerei dann, schon in etwa den Formen, die man auch heute noch kennt, mit den Gedanken der Aufklärung auch nach Deutschland. Nun kann man aber nur theoretisch von Deutschland reden, wenn man diese Zeit meint, denn was Deutschland ist, war zerspalten in mehr als dreihundert mitunter winzige Staatsgebiete, die alle dem deutschen Kaiser gegenüber recht souverän waren. Entsprechend unübersichtlich gestaltete sich auch die Ausbreitung der Freimaurerei, der sich in Deutschland beide Klassen, das Bürgertum und der Adel gleicherweise widmeten (man denke immer daran, dass sowohl Preußens König Friedrich II als auch Mitglieder des habsburgischen Kaiserhauses Freimaurer gewesen sind). Das hatte zur Folge, dass in den deutschen Logen egalitäre Prinzipien herrschten und keine Adelsränge anerkannt wurden. Männer wie Lessing und Friedrich von Hohenzollern oder Joseph von Habsburg waren vom freimaurerischen Standpunkt gesehen, nur gleichberechtigte Brüder, die sich den Vorschriften des Bundes in gleicher Weise zu fügen hatten.
Ehe sich deutsche Logen gründeten, wurden Deutsche in englischen Logen aufgenommen, ob sich Gleiches in Frankreich vollzog, ist zumindest nicht bekannt, aber doch nicht unwahrscheinlich, da mehr die französische als die englische Aufklärung zum Paten der deutschen Bestrebungen wurde. Die Logengründungen aber waren, dem partikularistischen Prinzip im deutschen Sprachraum folgend, ebenfalls partikuläre Ereignisse mit jeweils nur auf ihre näheres Terrain eingeschränkter Bedeutung. Eine einheitliche Großloge für Deutschland gibt es gemäß dem föderalen Prinzip, in das die deutsche Kleinstaaterei auf dem Umweg über Bismarcks Kaiserreich dann mündete, bis heute nicht. Stattdessen existiert ein Verband jeweiliger territorialer Großlogen.
Von diesen drei Hauptzweigen aus verbreitete sich die Freimaurerei weiter durch Europa und über den Globus, so dass sie heute als eine weltweit verbreitete Organisation angesehen werden kann. Dabei ist nicht relevant, ob sie in den jeweiligen Statistiken der Länder aufgeführt ist oder nicht, da eine Pflicht zur staatlichen Anerkennung seitens der Freimaurer nicht besteht. Es handelt sich im Gegenteil immer um eine auf privater Initiative beruhende und demnach auch privatrechtliche Vereinigung.
Der Ursprung der inneren Organisation
Da ich selbst kein Freimaurer bin, steht mir ein Urteil über Sinn und Zweck freimaurerischer Vorstellungen nicht zu. Indessen haben sich aber inzwischen so viele Personen wie Institutionen Urteile über dieselben angemaßt, dass nicht unterlassen werden kann, wenigstens mit einigen verbreiteten Vorurteilen aufzuräumen – ich denke, dass ich hierfür die Zustimmung auch eines Freimaurers gewinnen kann.
Die gemeinschaftsstiftenden Rituale der Freimaurer entstammen nicht irgendwelchen uralten Traditionen ägyptischer Herkunft und haben auch mit dem jüdischen Tempelkult nichts gemein. Beides wird hin und wieder selbst von Freimaurern behauptet. In Wahrheit stammen die Riten aus der Zeit der mittelalterlichen Bauhütten, welche die Aufnahme neuer Mitglieder so feierlich wie nur möglich zu gestalten suchten – und auch so abenteuerlich wie nur möglich, denn ein bisschen Grusel ist immer gut, wenn es eine Arkanpflicht zu beachten gilt. Die galt im Anfang zwar nur Berufsgeheimnissen, während die Mitgliedschaft in der Bauhütte selbst bekannt war, sie weitete sich im Lauf der Zeit aber auf die Mitgliedschaft selbst aus. Das Rituale selbst, die sogenannte Tempelarbeit, sollte geheim sein, aber wie es mit vielen Geheimnissen geht, kaum etwas wird lieber ergründet und ausgeplaudert als eben Geheimnisse und so erging und ergeht es auch den Freimaurern, sie mögen es mit Nachsicht betrachten oder nicht.
Kern des freimaurerischen Gedankenkreises sind auch nicht irgendwelche Rituale religiösen oder parareligiösen Inhalts, sondern der Kern ihres Gedankenkreises ist die Humanität, unter der sie die diskrete Verbesserung der menschlichen Ethik und Moral verstehen. Nicht große Revolutionen sollen dies bewirken, sondern stetige und hartnäckige Arbeit eines jeden Freimaurers an den Menschen in seiner konkreten Umgebung. Abschließung wird also bei einem Freimaurer nicht gern gesehen, Isolationismus ist keine freimaurerische Tugend. Sondern der Freimaurer soll unbehindert und frei im Sinne der Menschenfreundlichkeit „am rauen Stein“ wirken wo immer er wirken kann und er soll zu diesem Zwecke jede Form von Mitmenschlichkeit nutzen – ein Menschenfeind ist nicht geeignet, sich einer freimaurerischen Vereinigung anzuschließen, obgleich das hier und da aus Unkenntnis heraus vorgekommen sein kann. Die parareligiösen Rituale sind mehr auf den Symbolcharakter der Religionen ausgerichtet als auf deren Inhalte – allerdings haben die christlichen Symbole dabei einen historisch bedingten Vorrang und so wird es angesichts der Bibel als Symbol für die Weisheit jenseits der Philosophien, einem Muslim vielleicht etwas schwer fallen, Freimaurer zu werden, obgleich dem inhaltlich nichts entgegen steht. Andere Symbole kommen dem natürlichen Spieltrieb jeder „Knabenvereinigung“ entgegen, als welche man die freimaurerischen Zirkel immer auch betrachten muss – auch wenn man ihre erwachsene Zielrichtung nicht in Zweifel zieht, der Ritus hat immer auch etwas von einem pubertären Spiel, wie sie sich sonst auf Schultoiletten ereignen. Nur geht es hier nicht um gemeinschaftliches Onanieren oder um Schwanzvergleiche, sondern im Gegenteil wird gerade alles Triebhafte aus dem Ritual ausgeblendet und der Mann erscheint in einer patriarchalen Tradition als idealtypische Figur. Erst seit Neuerem ist auch das Frauenbild des Freimaurertums hier und da vorsichtigen Reformen unterzogen worden, bis dahin galt die Frau mehr oder weniger als notwendiges Übel und der Freimaurer sollte sich sehr gut umsehen, ehe er einer Frau die zeremoniösen Handschuhe überreicht, die als freimaurerisches Eheversprechen gelten. Selbstverständlich gilt die Arkanpflicht dann auch gegenüber der Ehefrau eines Freimaurers, dennoch ist sie aus dem Umkreis der Loge nicht ausgeschlossen, es finden in regelmäßigen Abständen Veranstaltungen statt, an denen auch die Frauen der Freimaurer teilnehmen dürfen und sollen. Geschlossene Frauenlogen aber werden erst seit dem vorigen Jahrhundert begründet und sind als Institutionen nach wie vor umstritten.
Ein weites Feld jedoch sind die verbreiteten Vorurteile, mit denen im Prinzip jede Geheimgesellschaft nur aus dem Grund zu ringen hat, dass man ihre Realität eben nicht kennt. Das macht Nichtzugehörigen umso mehr Angst, wenn sich herausstellt, dass die Angehörigen einer solchen Geheimgesellschaft tatsächlich sich in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft hervortun und es wahrscheinlich erscheint, dass sie einander in die Sättel helfen, es hier und da auch wirklich so vorkommt, denn auch ein Freimaurer ist nur ein Mensch und so von Korpsgeist, Nepotismus und Korruption gefährdet. Indes – eine wirkmächtige freimaurerische Weltverschwörung wäre wohl, betrachten wir die gegenwärtige Lage, das Beste, was der Menschheit insgesamt passieren könnte. Und damit wäre das hauptsächliche Vorurteil leider schon aus dem Rennen, denn von freimaurerischen Idealen ist in der gegenwärtigen Weltlage nichts, aber auch nichts zu spüren, geschweige zu sehen.
Eher schon könnte man annehmen, dass an dem Vorurteil etwas wäre, dass die freimaurerische Tätigkeit sich gegen die Interessen insbesondere der katholischen Kirche richten könnte. In jedem Falle aber kann man sicher sein: gegen Religion als solche richtet sich die Freimaurerei nicht, dieses Feld ist ihr nebensächlich – gegen den Katholizismus als Machtorgan aber hat sie sich immer wieder gerichtet, und wie weit der moderne Atheismus und sein Kirchenkampf mit Aktivitäten der Freimaurer Hand in Hand gehen, ist zumindest nicht erweislich. Wenn es aber so wäre, so wäre es dem Christentum als solchem nicht zum Schaden, würde es von einer Institution wieder zu einer Bekenntnisgemeinschaft werden. Dasselbe trifft natürlich auch für alle anderen Weltreligionen zu.
Über das Verhältnis der Freimaurerei zur Frauenfrage habe ich ja schon kurz gesprochen. Hier sind die Dinge in Fluss wie in der gesamten bisher patriarchalen Gesellschaftsstruktur. In ihrem Schoß und als eines ihrer Spiegelbilder ist die Freimauerei entstanden und mit ihr wird sie sich wandeln müssen oder sie wird mit ihr untergehen. Ob die strikte Trennung von männlicher und weiblicher Freimauerei sich aber wird halten können, bezweifle ich, eher sehe ich die Perspektive in einer gemischten Arbeit, an der beide Geschlechter gleichberechtigt und auch gleich verpflichtet Anteil nehmen. Selbstverständlich wird dies nicht ohne vielfache Verwerfungen bewerkstelligt werden können, da auf beiden Seiten erhebliche Vorurteile bestehen. Aber die Zeit der Freimaurerei als eine Zeit der Herrenklubs ist abgelaufen, die Zukunft gehört einem neuen Bild oder sie schwindet. Schon heute klagen viele Logen über Mitgliederschwund, was nicht zuletzt in ihrem Traditionalismus begründet ist und darin, dass sie über Jahrzehnte versäumt haben, ihre Werte zeitgemäß zu präsentieren. Was im achtzehnten Jahrhundert leicht fiel, nämlich zeitgemäß und sogar der Zeit voraus zu sein, sollte im einundzwanzigsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung nicht schwerer fallen. Die Forderungen der Freimaurer nach einer humanen Gesellschaftsstruktur sind noch keineswegs erfüllt.

Berlin, im Juli 2014
© Juliane Bobrowski

 

 

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